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BGH – Haftung für Verschweigen bei der Prospekterstellung

BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 536/15

In einer aktuellen Entscheidung des BGH (VI ZR 536/15) setzt sich dieser mit der Thematik der Haftungszurechnung gem. § 31 BGB auseinander.
Das Urteil behandelt das Schadensersatzbegehren eines Kapitalanlegers auf Grundlage einer Beteiligung an einer Fondsgesellschaft.
Der VI. Zivilsenat entschied über die Haftung einer juristischen Person – einer Aktiengesellschaft – für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB.

Folgender Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde:
Im vorliegenden Fall wurde eine Aktiengesellschaft verklagt.
Die beklagte Partei war Mitherausgeberin eines Prospekts. Diesen gab die Beklagte für einen geschlossenen Immobilienfonds heraus. Der Prospekt führte Informationen an, welche für die Anlageentscheidung erheblich waren. Mitunter wurde im streitgegenständlichen Prospekt ein Altlastenverdacht, der bestand, nicht angeführt.

Die Kläger sind Erwerber eines Fondsanteils. Das Begehren der klagenden Partei war darauf gerichtet, von der Beklagten eine Rückabwicklung ihrer Beteiligung zu erreichen.
Im Ergebnis bejahte der BGH einen Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die Beklagte.
Anspruchsgrundlage hierfür ist § 826 BGB. § 826 BGB normiert die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung: Es besteht ein Schadensersatzanspruch, wenn einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt wird.

Der BGH entschied, dass das Unterlassen der Aufklärung über einen Altlastenverdacht im vorliegenden Fall verwerflich ist.
Nach dem Leitsatz des BGH ist das Unterlassen einer für die Anlageentscheidung erheblichen Information in einem Prospekt zwar für sich genommen gerade nicht sittenwidrig im Sinne des Tatbestands des § 826 BGB. Damit das Merkmal der Sittenwidrigkeit bejaht werden kann, müssen weitere Umstände hinzutreten. Ein derartiger Umstand findet sich beispielsweise bei einer bewussten Täuschung.

Der BGH ging hier von einer Fehlerhaftigkeit des Prospekts aus:
Da dieser keinen (expliziten) Hinweis auf die Altlasten enthielt, war er fehlerhaft.
Es lag eine bewusste Täuschung vor, welche durch das bewusste Verschweigen eines bekannten Umstandes verübt wurde. Durch die bewusste Täuschung sollten die Anlageinteressenten dazu gebracht werden, sich zu beteiligen. Da das bewusste Ausnutzen der Unkenntnis der Anlageinteressenten hinzutrat, wurde im vorliegenden Fall durch den BGH die Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB bejaht.
Die Beklagte haftet für das vorhandene Wissen ihrer Sachbearbeiter.
Es kommt darauf an, wessen Kenntnisstand relevant ist.

Laut BGH ist im Grundsatz nur der Kenntnisstand von Vorständen sowie verfassungsmäßig berufenen Vertretern ausschlaggebend.
Mithin ist zu prüfen, wer verfassungsmäßiger Vertreter der Gesellschaft ist.

Der BGH entschied diesbezüglich auch, dass das Wissen mehrerer Mitarbeiter gerade nicht „mosaikartig“ zusammengefügt werden darf.
Des Weiteren entschied der BGH über das Vorliegen des „Wollens“-Elements des Schädigungsvorsatzes des § 826 BGB. Dieses setzt im Grundsatz korrespondierende Kenntnisse voraus.
Diese müssen bei derselben natürlichen Person vorliegen. Eine mosaikartige Zusammenfügung ist auch hier nicht möglich.